Berg, der sich im See spiegelt, bläulich, Winter

Du bist mein Spiegelbild

Und wenn sich die andere Person noch so unmöglich zu verhalten scheint – sie zeigt dir immer eine Stelle in dir selbst, die ganz genau so ist. Du schaust quasi in den Spiegel. Das ist auch der Grund, warum wir andere nicht verändern können. Ebenso gut könntest du von deinem Spiegelbild fordern, sich zu verändern.

Mal angenommen, das wäre so. Was mache ich dann konkret, wenn jemand oder etwas starke negative Emotionen in mir auslöst? Du machst mich wahnsinnig! Du machst mich so wütend! Hör endlich auf damit! Wut, Hass, Angst, Schmerz sind machtvolle Einladungen zum Gegenangriff – umso mehr, wenn all das immer wieder hochkommt. Und noch mehr, wenn unsere negativen Emotionen vollkommen gerechtfertigt zu sein scheinen. Und das tun sie meistens.

Es kann dein Kind sein, das dich zur Weißglut treibt. Dein:e Partner:in. Jemand auf der Arbeit, der sich verhält wie das letzte Arschloch und den du dir verdammt nochmal nicht ausgesucht hast. Es kann eine ungeliebte Aufgabe sein, um die du nicht herumkommst.

Der Ausweg ist zu lernen, deine Gefühle zu beobachten, anstatt auf sie zu reagieren. Das geht nicht von heute auf morgen, aber du kannst es ja üben. Wenn du es schaffst, die Eskalation auch nur für einen Augenblick zu unterbrechen, ändert sich das Bild.

Reiß dich los, geh aufs Klo und schau in den Spiegel. Frag dich: „Will ich mich so scheiße fühlen?“ Schau dich genau an.

Ja?

Oder nein?

Wenn ja, dann geh wieder raus aufs Schlachtfeld.

Wenn nein… dann wird es interessant. Diese minimale Öffnung reicht, damit eine neue Perspektive zu dir durchdringen kann. Sie wird die ganze Situation verändern. Du wirst etwas begreifen.

Die Stimme in deinem Kopf, die ununterbrochen Argumente in Stellung bringt, wird dadurch nicht verstummen. Sie wird immer versuchen, dich davon abzuhalten, deine Emotionen zu fühlen. Doch Argumente geben dem Machtkampf nur neues Futter.

Was dagegen hilft, ist die Gedanken entschieden beiseite zu schieben und nur die Emotionen zu fühlen. Darin liegt die Heilung. Was in dir tobt, sind Emotionen, die endlich gefühlt und damit befreit werden wollen. Obenauf liegen oft Wut und Hass, aber wenn du Emotionen einfach dasein lässt, verändern sie sich und geben die nächste Schicht frei. Irgendwann kommen Schmerz, Trauer, Schuld etc. hoch. Wenn du bereit bist, sie so intensiv zu fühlen, wie du kannst, lösen sie sich auf. Das dauert oft nur ein paar Minuten.

Kann sein, dass dann gleich die nächste Schicht hochkommt, aber sei dir sicher: Was die Welt zu einem unsicheren Ort macht, ist nie das Fühlen, sondern immer das Unterdrücken von Emotionen. Du kriegst sogar noch einen Riesenbonus, wenn du dich traust zu fühlen, um was es in einem Konflikt wirklich geht. Du befreist damit nämlich nicht nur dich, sondern auch den oder die anderen. Probier´s aus. Jeder Streit ist nur dazu da, bestimmte Emotionen nicht fühlen zu müssen. Sobald sie gefühlt werden – egal, von wem -, weicht die Energie aus dem Konflikt.

Und sei gut zu dir. Es gibt keinen Angriff ohne Selbstangriff. Getriggert zu werden bedeutet, dass etwas in dir berührt wird, das du dir selbst nicht verziehen hast. Das Drama, die Schuldzuweisungen dienen dazu, deine eigenen Schuldgefühle nicht fühlen zu müssen. Aber würdest du genau dasselbe jemandem verzeihen, den du liebst? Die Antwort ist höchstwahrscheinlich Ja. Also geh mit dir um wie mit jemandem, den du liebst, und mach dich nicht selber fertig.